Eine "besinnliche" (Vor-)Weihnachtszeit
Es ist Weihnachtszeit, es ist Weihnachtsmarkt.
Besinnlich, so wünscht man es sich, so soll es sein.
Während man die Besinnlichkeit in den eigenen vier Wänden durch Engel, Kerzen, Sterne und "Bäumchen" schaffen und auch erleben kann, so wird es außerhalb der Häuslichkeit doch recht schwer...
Beispiel: 3.Advents-Samstag in einer deutschen Großstadt.
Bereits bei der Parkhaus- Parkplatz-Suche am frühen Samstag vormittag wird man auf eine harte Probe gestellt: Autos mit auswärtigen Kennzeichen und ganze Reisebusse schleichen, Parkplatz-suchend durch die Zufahrtsstraßen. "Zähfließender Verkehr" referiert der Herr im Radio und ich frage mich, warum ich nicht mit Rad, Bus oder Bahn gefahren bin.
Die "Füllgrads-Anzeiger" der Parkhäuser signalisieren 0 freie Plätze...was nun?
Die Winterjacke erfüllt Ihren Zweck, im Auto wird es unerträglich warm.
Nach einer halben Stunden tut sich eine Parklücke auf, parken, aussteigen und endlich rein "ins Vergnügen".
In den Passagen schieben sich die Massen in beide Richtungen. Ich frage mich gelegentlich wo sich die Menschen eigentlich hinschieben...Haben die alle wirklich ein Ziel oder schieben sich zum Beispiel die Reisegruppen einfach nur durch die Stadt, um mich an der zügigen Erledigungen meiner Einkäufe zu hindern?
Warum besuchen diese Leute, die zum großen Teil definitiv Empfänger einer Rente sind, nicht an Dienst- oder Donnerstagen MEINE Stadt?
Ein Gehen ist nicht mehr möglich, der aus der Kindheit bekannte "Pisspott-Schritt" wird mir aufgezwungen.
Mitten in der Passage bleiben zwei grau-mellierte Damen vor mir jetzt ganz stehen und bewundern die Glasdach-Konstruktion der Passage...
Ich stehe auch, die Jacke wärmt weiter -erste Schweissperlen auf der Stirn.
Rein ins Kaufhaus.
Schlange stehen für die Rolltreppe.
Ich denke kurzzeitig über die Übertragungswege der Schweinegrippe nach..und fahre nach oben.
3. OG, Spielwarenabteilung: mein Patenkind hat Geburtstag. Einen Tag vor Nikolaus ist die Spielwaren-Abteilung definitib kein "besinnlicher" Ort.
"Au", es fährt mir ein Kinderwagen in die Hacken.
Ich kämpfe mich an einer offen-mundig brüllenden, vielleicht vier-jährigen vorbei und greife mir das bereits schweiss-gebadete Fachpersonal: "Prinzessin Lillifee- Schmuckköfferchen haben wir nicht mehr..." teilt sie mir (bereits im weggehen) mit "und kriegen es auch nicht mehr rein", ergänze ich den Spruch der Sprüche aller Verkäufer für mich...
Nach zwei weiteren Versuchen in Spielzeugabteilungen erstehe ich einen endlich einen reelen Schmuckkoffer in der Kofferabteilung bei Karstadt. Der Preis spielt für mich jetzt echt keine Rolle mehr, denn zum Koffer erkaufe mir damit quasi auch ein wenig Freiheit, denn ich will einfach nur noch raus...
Nach zwei weiteren Käufen ist es geschafft, jetzt kommt der ruhigere Teil des vormittags, ich bin noch zu einem Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt verabredet..."Um endlich mal ein wenig in Weihnachtsstimmung zu kommen" hatte ich mich mit einem Kumpel dort verabredet..
Doch ich hatte meine Rechnung ohne die Weihnachtsmarkt-Touristen (oder Terroristen?) gemacht.
Nach ein paar Metern auf meinem Weg durch den Nieselregen und zur verabredeten Bude kam mir schon die erste "Busladung" entgegen. Am Akzent war sofort zu erkennen, dass es sich um eine Gruppe "vom Land" handelte, die sich mir versammelt und geschlossen in den Weg stellte, um das "prächtige Rathaus" zu bewundern. "Lasst den jungen Spunt mal durch, der hat es eilig...vielleicht ist er der Nikolaus" rief der Anführer der "grauen Panther", dem sicher mein schon leicht entnervter Gesichtsausdruck aufgefallen war...wie witzig. Die Senioren öffneten mir eine Gasse.
Nach ein paar Metern der nächste Stau an der schmalen Gasse neben dem Bratpfannen-Stand. Was um alles in der Welt haben Bratpfannen auf einem Weihnachtsmarkt zu suchen, frage ich mich seit diesem Moment..Weiter, weiter...ich setze meinen Körper sinnvoll ein, indem ich mich robust an den Leuten vorbeischiebe. Ich glaube, ich bin schon leicht aggressiv..
An der Bude angekommen, sehe ich nur eine laut murmelnde Menschenmasse. Na super. Ein Arm geht hoch, mein Kumpel winkt.
Mit etwas mehr Nachsicht als vorher durchquere ich die Massen schlürfender Wein-Freunde, schließlich habe ich meine gute Winterjacke an und die Leute haben mir Ihrem erhitzten Rotwein entsprechend gute Argumente, sie nicht anzurempeln..
Endlich, da sind wir.
Auch mein Freund ist "bester" Laune, er hat einen ähnlichen Trip hinter sich, durfte sogar noch mit seiner Herzdame "Klamotten shoppen" und sehnt sich nun nur nach der "Oase der Ruhe"- seiner Wohnung.
Jetzt kommt seine Freundin Katrin vom Tresen und drückt mir freundlich einen Becher Feuerzangen-Bowle in die Hand.
Der Becher klebt derart, dass es mir spontan logisch erscheint, dass die Becher keinen Henkel brauchen.
Als Katrin strahlend mit den Worten "auf eine schöne, besinnliche Weihnachtszeit" mit uns anstoßen will,
verschlucke ich mich fast und denke kurz darüber nach, ob sie es zynisch oder ironisch meint. Nein, sie meint es ernst...
Seitdem denke ich nun darüber nach, ob es vielleicht an mir liegt und ich vielleicht was falsch mache...?
Ich habe mir noch gestern für die restlichen Advents-Samstage ein "City-shopping-Verbot" erteilt.
Hilfe zur Selbsthilfe und die Chance für mich, die vielzitierte "Besinnlichkeit" irgendwie und irgendwo anders zu finden, zu erleben und auch zu genießen.
In diesem Sinne wünsche ich uns
eine schöne, besinnliche (Vor-)Weihnachtszeit
tim jacobs am 06. Dezember 09
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